Wie organisiert man eine Demo?
Der Zug der Liebe sieht auf der Straße oft aus wie ein spontaner Glückszug mit Bass. Aber das ist eine Illusion. Hinter jedem LKW, jedem Redebeitrag, jeder Route stecken Wochen an Logistik, rechtlicher Verantwortung und minutiöser Planung. Hier kommt die Realität hinter dem Rave – eine kleine Gebrauchsanleitung für 20Trucks, 20 Vereine und zigtausend Menschen.
Wenn du denkst, eine Demo ist einfach anmelden, losfahren und laut sein – halt kurz inne. Du brauchst ein Sicherheitskonzept, ein Hygienekonzept (ja, auch post-Corona), Koordination mit der Versammlungsbehörde, Routenabsprachen mit der Polizei, First Aid, Awareness-Strukturen, Absperrungen, Ordner:innen-Schulungen, Brandschutzauflagen – und jemanden, der notfalls in Echtzeit entscheidet, ob abgebrochen wird.
Jeder Wagen ist ein Fahrzeug mit politischen Zielen. Die Verantwortung dafür trägt nicht nur der Verein, der den Wagen bespielt, sondern auch die Demo-Leitung und die Fahrer:innen. Es gibt Wagenabnahmen mit Checklisten:
- funktionierende Bremslichter
- Lautsprecheranlagen unter 95 dB
- rutschfeste Dächer
- funktionierende Notabschaltunge
- Feuerlöscher
- Wasservorräte
- stabile Haltestangen
- klare Sichtachsen
Auf dem Wagen gilt: maximal sieben Leute. Keine Showbühne, keine Dachparty.
Ohne Armbinde kein Ordner. Ohne Ordner kein Wagen. Und ohne Ordner:innen-Sicherheitspuffer läuft kein Meter. Alle ordnenden Kräfte müssen sich im Vorfeld schulen lassen – kein Spaß für Bedenkenträger:innen, sondern Notwendigkeit für Menschenverantwortung. Die Ordner:innen stehen bei 32 Grad und Bassdruck an den Achsen, stoppen Leute, die unter den Truck laufen wollen, geben Wasser raus, rufen im Zweifel Awareness, Polizei oder Demo-Leitung. Sie sind nüchtern, klar und entscheidungsfähig.
Kommunikation läuft über Funk – und nicht jeder kriegt ein Gerät. Es gibt festgelegte Funkgruppen für Awareness, Technik, Sanis, Polizei, Lautis, Logistik. Die Geräte werden mit Personennamen und Funktionen dokumentiert, am Ende zurück gesammelt. Verloren? Muss ersetzt werden. Kostet echt viel Geld so ein Funkgerät.
Der Zeitplan ist eng. Aufbauzeiten, Check-ins, Wagenreihung, Musikstart, Redebeiträge, Treffpunktzeiten, Anlaufstellen – alles läuft in Blöcken, auf Minuten abgestimmt. Und wenn etwas schiefläuft, braucht es Leute mit Überblick. Nicht Meinung. Nicht Emotion. Sondern Verantwortung. Das ist die heilige Demo Leitung, die mittlerweile 3 bis 4 Leute umfasst.
Und das ist auch der Punkt: Es geht nicht darum, eine Party zu organisieren. Sondern eine politische Demonstration mit Massenwirkung, die sich wie ein Fest anfühlt, aber mit derselben Ernsthaftigkeit behandelt wird wie eine Großveranstaltung mit Sicherheitsrisiko. Wer beim Zug der Liebe einen Wagen stellt, unterschreibt auch ein Regelwerk. Keine Werbung. Keine rechte Symbolik. Keine antisemitischen Parolen. Keine politischen Uniformen. Kein Alkohol für Ordner:innen, keine Glaskontainer, keine eigenmächtige Routenänderung. Wer da mitmacht, steht ein für die Demo und wir sind dankbar für deren Leistung. Denn präsentieren können sich nur die vereine. Man macht das also für andere.
Der Ablauf ist klar: Treffpunkt. Technischer Check. Orga-Briefing. Aufstellen. Soundcheck. Abfahrt. Stops. Reden. Abbau. Abfahrt. Müllentsorgung. Feedback. Und das alles nebenbei mit Presseanfragen, Social Media, Anträgen für Strom, Wasser, Rettungswege, Verkehrsführung, Sperrungen und Dixi-Klos.
Es braucht Leute, die nachts noch mit Kabelbindern rumrennen. Leute, die Reden koordinieren. Leute, die Funketiketten schreiben. Leute, die auf dem letzten Stück noch einen Lautsprecher tauschen. Leute, die wieder aufstehen, wenn 20 Absagen reinrauschen. Leute, die nicht ausruhen, sondern aufbauen.
Eine Demo mit 20 Trucks braucht ein Team mit Disziplin, Empathie und Rückgrat.
Und was braucht sie von dir?
Respekt für die, die sie machen. Rücksicht auf die, die sie schützen. Und ein bisschen Demut, wenn du aufspringst, mittanzt oder mitgestaltest. Denn was du da siehst, ist keine Laune. Es ist eine Struktur aus Liebe, Schweiß und verdammt viel Verantwortung.
Wer macht was beim Zug der Liebe? – Die Aufgaben auf einen Blick
DEMO-LEITUNG
– Anmeldung & Kommunikation mit Polizei / Versammlungsbehörde
– Genehmigungen & Auflagenmanagement
– Einteilung der Funkgruppen & Rollen
– Koordination aller Notfälle & Entscheidungen on the fly
– Leitung der Demo im Funkverkehr
WAGENMACHER:INNEN / KOLLEKTIVE
– Kooperation mit Partnerverein & Inhalte abstimmen
– Wagen bauen, dekorieren, sicher machen (Geländer, Haltepunkte etc.)
– Technik & Stromversorgung checken
– Reden vorbereiten, Ablaufzeiten einhalten
– Ordner:innen stellen
– Wagenabnahme bestehen
ORDNER:INNEN
– Mindestanzahl: 6 pro Wagen, empfohlen sind 20, damit gewechselt werden kann
– Sichtbarkeit mit Armbinde, nüchtern, ruhig, deeskalierend
– Abstand zum Wagen sichern, besonders bei Achsen
– Übergriffe melden, Awareness informieren
– Ansagen an Publikum freundlich, aber bestimmt machen
– Keine Security, aber klare Grenze, wenn’s sein muss
AWARENESS
– Erreichbarkeit über Funk oder Signal
– Ansprechbar für Betroffene in schwierigen Situationen
– Bereitstellen von Wasser, Kopfschmerztabletten, Pflastern
– Einschätzen, ob eine Situation Unterstützung, Gespräch, Rückzug braucht
– Kein Mediateam, sondern parteiisch – für die betroffene Person
FAHRER:INNEN
– Fahrerlaubnis & Versicherung für LKW muss vorliegen
– Koordination mit Orga & Funkverbindung sicherstellen
– Sofortiger Halt bei Gefahr oder Ansage durch Demo-Leitung
– Kein Alkohol, keine Ablenkung, keine Diskussion
MUSIK- & TECHNIC-CREW
– DB-Einhaltung (max. 90 dB am Straßenrand)
– Kein Sub über 30 Hz – Anwohnerschutz
– Strommanagement, Erdung, Notabschaltung
– Backup-Systeme mitdenken (Verteiler, Reservekabel, Generator)
– Sound bei Redebeiträgen runterziehen
HELPER / HELFER:INNEN
– Dixi-Check & Müllsäcke verteilen
– Infopoints, Awareness-Bändchen, Wasser verteilen
– Zubringer-Teams für Awareness und Sanis koordinieren
– Aufbau / Abbau / Transportmaterial sichern