FÜR eine kulturorientierte Senatspolitik

Wir setzen uns FÜR den Erhalt der vielfältigen Landschaft aus Clubs, Musik- und Tanzveranstaltungen ein, die mit Leidenschaft und aus einem kulturellem Impuls heraus organisiert werden. Woanders marschieren die Pegidas & Co. – während wichtige Zeichen für Toleranz und Miteinander in Berlin – wie etwa der Karneval der Kulturen oder die Fête de la Musique, um ihre Existenz kämpfen müssen Beispiel Fête de la Musique: Die Fete war bislang eine als „Straßenfest“ klassifizierte Veranstaltung. Nun stuft die GEMA die Fête nicht mehr als Stadtfest, sondern als Konzert ein. Das bedeutet für die Organisatoren eine Kostensteigerung von 63% bei den GEMA-Gebühren. Das alleine verschlingt nun fast 1/5 der gesamten Budgets! Die Fête darf, laut internationale General Agreement, keine Einnahmen erzielen und findet ausschließlich auf einer kulturellen, sozialen, gemeinnützigen Basis statt. Das ist der GEMA aber herzlich egal – sie verlangt trotzdem mehr Gebühren. Bereits bei den Berliner Clubs so beliebt wie die Fifa in einer Favela in Rio de Janeiro, arbeitet die momentan noch einzige Verwertungsgesellschaft nach Kräften daran, ihre Unbeliebtheit weiter zu steigern. Denn wie die Fete mit einer Erhöhung der Gebühren fertig werden sollen, interessiert die GEMA natürlich nicht mehr. Dank einem Einspringen der Lotto-Stiftung bleibt uns das Fest in Berlin vorerst bis 2017 erhalten. Für die Zeit danach gibt es noch keine Ideen. Wir lieben die Fête de la Musique und wollen, dass sie erhalten bleibt!

Ausgerechnet in einer Zeit, in der allerorten rechts Gesinnte aufmarschieren, ist die Zukunft dieser gleichermaßen friedlichen wie bunten Veranstaltungen, die auch als Tourismusmagnet ein buntgemischtes Völkchen Musikfreunde anzieht, mehr als ungewiss. Die Senatspolitik, allen voran die Abteilung für Kulturelle Angelegenheiten, schweigt dazu beharrlich. Weder hören wir neue Vorschläge zur Finanzierung noch ein Eintreten gegen die Einstufung der Fete als Konzert. Das finden wir ganz und gar nicht liebevoll – und fordern hier mehr Einsatz für ein liebenswertes Berlin!

Beispiel Karneval der Kulturen: Der Karneval ist eines der größten und fröhlichsten Straßenfeste Deutschlands und wird, trotz hoher sechs- oder manchmal gar siebenstelliger Besucherzahlen, vom Senat ebenfalls finanziell kurz gehalten. Dabei ist der Karneval für die Tourismusindustrie Berlins äußerst attraktiv. Noch nie waren ausreichend finanzielle Mittel vorhanden, um den Karneval umfänglich zu finanzieren – wobei nicht gemeint ist, dass irgend ein Teilnehmer daran Geld verdienen würde. Bislang mussten Künstler, Artisten,Tänzer und Wagenmacher immer Geld mitbringen, um am Karneval der Kulturen teilnehmen zu können: Kostüme, Proberäume, Reisekosten oder Wagen: Alles kostet Geld, für das es niemals auch nur ansatzweise eine Kompensation gab. Die Folge: 2012 schmiss das bisherige Orga-Team aus der Werkstatt der Kulturen hin. Mit den kargen Zuwendungen vom Senat und den Einnahmen aus dem Blücherstraßenfest konnten die immer weiter gestiegenen Unkosten nicht mehr finanziert werden.

Das führte dazu, dass die Aktivisten, Gruppen, Teilnehmer und Fans des Karnevals eine Petition starteten, die nach monatelangem Tauziehen den Berliner Senat endlich dazu gebracht haben, sich ab 2015 stärker für das völkerverbindende Ereignis einzusetzen. Für manche Gruppen kommt die Erfüllung ihrer nicht gerade kurzen Forderungsliste durch die Senatsbeauftragte für Integration dennoch zu spät – sie haben ihre Teilnahme wegen ungenügender Vorbereitungszeit für dieses Jahr abgesagt. Das wichtigste Event für eine multikulturelle Gesellschaft in Berlin ist zwar für dieses Jahr quasi „5 nach 12“ gerettet worden, doch über seine langfristige Zukunft wird formal erst im Herbst entschieden. Pikantes Detail: Die Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2016/17 laufen bereits. Und während sich die Karnevalisten mit Hochdruck um den diesjährigen Umzug kümmern, wird hinter verschlossenen Türen in den Ausschüssen des Senats die finanzielle Zukunft des Umzugs bereits ausgehandelt.

Wir lieben den Karneval und wollen, dass er, gerade auch von der Politik, als Ausdruck eines weltoffenen, toleranten, bunten Berlins verstanden wird. Seriöse Schätzungen gehen von bis zu 4 Mio. Euro finanziellem Mehrwert für das Land Berlin aus – da kann es wirklich keine unüberwindbare Hürde sein, wenigstens 10 bis 15% davon für seine Realisierung aufzuwenden. Wir reden hier von einer Größenordnung, in der das Land gerade eine erfolglose Olympia-Bewerbung finanziert hat – nur mit dem Unterschied, dass eine halbe bis ganze Million Besucher garantiert sind. Ein vielfaches dieser Summe bleibt, wie erwähnt, dabei als finanzieller Gewinn für das Land hängen – zusätzlich zu dem, was sich Unternehmen und Akteure der Tourismus-, Musik- und Transportbranche finanziell vom Karneval erhoffen dürfen.

Wir sind gegen die Zerstörung einer sich neu gebildeten Club Kultur durch die Pläne zum weiteren Ausbau der A100. Davon sind Else, neue Magdalena, Wilde Renate, about Blank und K:Pax betroffen. Gerade am Ostkreuz hat sich in den letzten Jahren wieder eine Szene gebildet, die für genau das berlin steht, das Millionen junger Touristen in die Stadt strömen lässt, und kreative Menschen anzieht, die Jobs in der Start Up Branche schaffen. Wir sehen es deswegen auch für viel wichtiger an, bessere Anreize zur Nutzung des Nahverkehrs zu schaffen, dessen Preispolitik vollkommen diametral zum eigentlichen Sinn eines günstigen Transportmittels für alle Bevölkerungsschichten steht. Die Autobahnpläne entstammen dem Wunsch einer autogerechten Stadt aus den 1950er Jahren. Wir schreiben das Jahr 2015 und sollten langsam mal umdenken. Über 100 bezahlbare Wohnungen in der Beermannstraße 20-22 werden so zerstört und die Mieter verdrängt. Sollte die Autobahn dann weiter bis Friedrichshain verlängert werden, müssten auch die Häuser der Beermannstraße 16-18 abgerissen werden.

Raimund Raintjes

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